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Vaclav Požarek

Die Kunst von Vaclav Požarek geht von Räumen aus – sowohl von den Räumen unserer Lebenswelt als auch von den historischen Räumen, denen wir uns zuordnen. Mit einem Gefüge aus Orten, Konstruktionen und Objekten schafft er Bezüge, die ohne Verweise auskommen und für sich stehen können. Wiederkehrende Motive und Formen seiner Installationen sind Stellwände, Zäune, Neonröhren, Tische und Behälter in mannigfacher Gestalt. Alle diese Objekte sind industriell gefertigt und mit handels- üblichen Metall- oder Holzlacken versehen. Požarek platziert oder befestigt sie im Raum ohne Verwendung von Sockeln. Ihre Anordnung ist nicht irregulär, sondern folgt einer subtilen Choreografie, die mit sparsam eingesetzten Objets trouvés wie Büchern, Schuhen oder Glühbirnen akzentuiert wird.

Pozareks skulpturales Vokabular ist der Minimal Art und den Assemblagen der konstruktiven Plastik verwandt, die er bei Anthony Caro in England kennengelernt hat. Ebenso spielt die Kunst der Schweizer Konkreten, die kubische Plastik von Donald Judd und das Readymade von Duchamps für ihn eine wichtige Rolle. Sein künstlerischer Ansatz ist jedoch grundsätzlich konzeptuell. Die Skulpturen sind Teile eines Ensembles, das den Ausstellungsraum benutzt, um eine Art Bühnenarrangement zu schaffen. Der Einfluss von Theater und Film, deren Arbeit Požarek in Prag studiert hat, ist wesentlich für seine Kunst und lädt die konstruktiven Elemente mit Bedeutung auf. Die Leerstelle – eine Tür, ein Loch oder ein Zwischenraum – ist dabei ebenso elementar wie das reelle Objekt.

Die Fotografie, die auf ersten Blick eine private Rolle für Požarek zu spielen scheint, fungiert als eine Art Zeitstrom, in dem sich seine Arbeit als fortlaufendes Kunstwerk formiert. Der Künstler hat im Laufe der Jahre ein grosses Archiv eigener Kunst- und Architekturaufnahmen angelegt. Dabei gilt sein Interessse vor allem den konstruktiven Details historischer Bauten: Gesimse, Säulen, Sockel, Eckpfeiler und andere Teile mehr. Sie fungieren für seinen Blick als Scharnierstellen der Architektur – ein Moment, das er in seinen skulpturalen Installationen aufgreift. Die Fotografie ist für Požarek aber nicht nur Material für eigene Ideen, sondern Dokumentation der Kulturgeschichte. So gehören auch Aufnahmen kunsthistorischer Bände und Sammlungen von Postkarten zu seinem Archiv.

Mit der Ausstellung Library of Sculpture 2012 im Bündner Kunstmuseum Chur hat Pozarek einen Teil seines Bilderarchivs als Bestandteil seiner Arbeit gezeigt. Die subjektive Auswahl der Historie wurde zum eigenen Werk, das in einem bibliophilen Kunstband dokumentiert ist und eine Art Musée imaginaire darstellt. Library of Sculpture steht in einer Reihe von Präsentationen, die Požarek für Museen und Institutionen konzipiert hat. So hat er 2001 in der Schweizerischen Landesbibliothek das Mobiliar für die Ausstellung Bibliotheken bauen entworfen, und 2003 baute er im Kunstmuseum Winterthur Sockel und Vitrinen für eine Präsentation der Plastiken von Medardo Rosso.

So wie die Kulturgeschichte ein imaginärer Raum ist, in dem sich Požarek verortet, so ist der Ausstellungsraum ein Gefäss für sein Werk. Es ist immer das Ganze, in dem Skulptur, Objekt und Architektur zusammenwirken. Konstruktion, Appropriation und Readymade sind Strategien seines Schaffen, mit denen er eine eigenständige skulpturale Sprache entwickelt hat. Vor dem Hintergrund der ehrwürdigen Momente der Kulturgeschichte gewinnen Pozareks Zäune und Kästen erst ihre vollständige Bedeutung: Sie sind Scharniere unserer modernen Lebenswelt.

Text: Maria Becker

Preisverleihung
Paul Boesch Kunstpreis 2017

Vaclav Požarek

Donnerstag, 23. März 2017, 18.00 Uhr
Kunsthalle
Helvetiaplatz 1, 3005 Bern

Der Paul Boesch-Kunstpreis wird jährlich einer Künstlerin / einem Künstler im Bereich der bildenden Künste verliehen. Mit dem Paul Boesch Kunstpreis 2017 wird das Schaffen von Vaclav Požarek ausgezeichnet. Die Paul Boesch Stiftung vergibt auch Förderpreise und Projekt-Förderbeiträge an einzelne Lernende oder Gruppen der Schule für Gestaltung Bern und Biel.

– Boesch-Foerderpreise-2016.pdf

„Das Zeitgenössische der Arbeiten Vaclav Požareks ist nicht nur angesichts seines Geburtsdatums im Jahre 1940 bemerkenswert, sondern auch, da er sich nicht im geringsten darum zu bemühen scheint, aktuell zu sein. Er gehört vielmehr zu jenen Künstlern, die auf eine Art immer das gleiche tun. Es scheint fast so, als würde Pozarek das Fortschreiten seiner Arbeit geschehen lassen, als forciere er es kaum und käme gerade dadurch immer wieder in der Gegenwart an. Im Schatten dieses Eindrucks bringt der gelernte Werkzeugmacher seine Mittel jedoch immer wieder diskret und mit höchster Präzision auf den jüngsten Stand. Wie es sich für einen eleganten Mann gehört, begegnet er dem Geist der jeweiligen Zeit aber immer auch als ein Unzeitgemässer, als einer, der in seiner eigenen Zeit geht und Ausflüge in die Vergangenheit nicht scheut. Pozarek gelingt diese laufende Aktualisierung seiner Arbeit nicht mit dem Eifer eines gewieften Strategen, sondern mit der Leichtigkeit des Spielenden.

(….)

Was Pozarek tut, um die entleerten Körper zu pflegen, erinnert auch an jene Methode, die der österreichische Architekt Rudolf Schindler als „ausräumen“ beschreibt, die Befreiung des Raumes von dem Zuviel an Inhalt, das seine Bewohner belasten könnte. Požareks Kehraus zieht aber auch eine Linie zu dem, was Antonin Artaud in Letzte Schriften zum Theater zu den Konstruktionsfehlern des Menschen anmerkt und Gott vorschlägt: „Wenn Sie ihm einen Körper ohne Organe hergestellt haben, dann werden Sie ihn von allen Automatismen befreit und ihm seine wirkliche und unvergängliche Freiheit zurückerstattet haben.“ Architektur und Theater – das mag wie ein assoziativer Spagat wirken. Aber ich denke, Požareks Möglichkeitsräume lassen sich recht treffend als architektonisches Theater der Objekte einer möglichen Freiheit beschreiben.

Als Zuschauerin muss ich mich auf die Regeln dieses Schauspiels einlassen und alle Erwartungen fahren lassen. Ich habe weder Gewinn, noch ist Wohlgefallen zu erwarten, sondern gerade einmal die Bereitschaft, auf die Leere zuzugehen, also eine riskante Wanderung zu unternehmen, jenes Wagnis, eine Bewegung mitzuvollziehen, die unserer vertrauten Wirklichkeit widerspricht. Eine von Pozarek zweckentfremdete Tür steht nicht etwa in der Ecke, weil sie sich schämt, sondern sie gewinnt ihre Souveränität als Ding zurück. Sie unterwirft sich nicht mehr nur der Funktion, den Türrahmen zu schliessen, sondern alle Möglichkeiten stehen ihr offen. Die Paradiestür könnte jetzt alles sein, aber sie steht im selben Moment genau in dieser Ecke. Der von Pozarek beförderte Aufstand der Dinge, die aus den Käfigen ihrer Funktion ausbrechen oder von ihr entlassen werden, vermittelt in seiner stillen Revolte ungeahnte Möglichkeiten.

Pozarek wandert tief in die Möglichkeitsräume des Un-Ernstes und lockt in Bilder, die das Auge sonst nur in Träumen sieht. Auf einer Konstruktion, welche an Gerrit Rietvelds berühmtes Sideboard erinnert, stehen ein paar Holz-Galoschen, während sich unter ihnen das Möbel entfaltet, das für nichts mehr zu gebrauchen ist. Was einem Zweck dienen konnte, verwandelt sich zu einer undurchsichtigen Geheimformel, deren Unauflösbarkeit das Spiel vorantreibt. Zur Wirkung kommt jener „Choc“ genannte Energieschub, mit dem sich die Dinge aufladen, wenn sie ihre Rolle und damit ihre Verständlichkeit innerhalb ihrer angestammten kulturellen Ordnung verloren haben. Die Behältnisse ohne Inhalt berichten sprachlos von einer Welt, die uns unheimlich ist, die wir aber auch sehr geniessen; ihr Name ist Freiheit.“

– Auszüge aus Laudatio, Valérie Knoll, 23. März 2017

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